Auch wenn wir schon ein paar Threads zu Soundkarten hier haben - ich mach mal einen neuen auf Wieso?
Ich habe inzwischen so etliche Soundkarten, ISA wie PCI, hier rumliegen, alle mehr oder weniger verschieden mit individuellen Stärken und Schwächen, und ich möchte hier ein paar von den Exemplaren mal genauer vorstellen. Ich bin jetzt nicht auf der Suche nach einer perfekten Soundkarte oder einer, die ein bestimmtes Feature hat, mich interessiert eher, was die Karten können; auch, was sie *nicht* können und was man so alles mit ihnen anstellen kann. Ihr merkt schon, das kann "technisch" werden
Eine Warnung vorweg: Meine Beiträge werden lang. Seeeeehhr lang.
Die erste Karte, die ich hier mal vorstellen möchte, ist die
Ensoniq Soundscape Elite
eine meiner dienstältesten „Retro“-Soundkarten. Die Karte fällt schon allein durch ihre beeindruckenden Abmessungen auf: Ganze 31,5cm lang ist das gute Stück. Das ist fast die volle ISA-Baulänge. Auf den Markt gekommen ist die Elite im Jahr 1995 als Nachfolger der 1994 erschienenen Soundscape S-2000. Die beiden wesentlichen Unterschiede zwischen den beiden Karten ist der Effektprozessor und das 2MB große Sample-ROM auf der Elite.
Schauen wir uns das Teil erstmal genauer an:
Am Slotblech gibt‘s drei Klinkenbuchsen: Die obere CD/AUX ist ein Line-Eingang und mit dem internen CD-Audio-Anschluß verbunden. Die mittlere ist der Line-Out und die untere der Line-In/Mic-In-Eingang. Darunter findet man einen Standard-DSUB15-Anschluß für Joystick oder externe MIDI-Geräte.
Auf der Karte selbst ist ein Codec AD1848KP von Analog Devices verbaut, direkt daneben befindet sich der Chipsatz des Synthesizers: OTTO, rechts neben den CDROM-Anschlüssen, ist der Synth-Chip, darunter ist der Controller-Chip ODIE, der MIDI- und Hostinterface zum ISA-Bus enthält. Gesteuert wird das Ganze über den On-Board-Processor (OBP), ein Motorola MC68EC000, dem 128kB DRAM-Speicher für das Betriebssystem (die Firmware) zur Seite stehen. Links neben ODIE ist das Sample-ROM, das restliche Geraffel gehört zu den vier CDROM-Anschlüssen. Über dem Prozessor wird der sogenannte ESP aufgesteckt, der ein programmierbarer Effektprozessor ist und über MIDI-Befehle gesteuert wird.
Die Karte ist keine PnP-Karte, die IO-Ports werden per Jumper konfiguriert, IRQs und DMA dann per Software. Die Elite braucht zumindest einen Port für den Codec (534h) und einen für den Wavetable (330h z.B.), dazu kommen zwei IRQs und bis zu zwei DMA-Kanäle für den Codec. Die entsprechenden Ressourcen sollten im BIOS für PnP/PCI gesperrt werden. Die CDROM-Schnittstelle braucht nochmal einen IRQ und einen IO-Port, kann aber per Jumper abgeschaltet werden.
Treiber und Standards:
Die Elite kommt mit Treibern für DOS, Win 3.1, Win95, NT4 und OS/2 daher, die DOS-Treiber stecken leider in den Win3.1- bzw. Win95-Paketen und müssen auch von dort aus installiert werden. Alle Treiber sind bei vogonsdrivers.com zu finden. Die Karte braucht zum Starten das Programm SSINIT.EXE, eine INI-Datei, die bei der Installation im Windows-Verzeichnis angelegt wird, und die passende Firmware SCOPE.COD/SNDSCAPE.COx. Mit SSINIT kann man die Karte konfigurieren und den Mixer einstellen, ein „SSINIT /I“ lädt die Firmware auf die Karte und bootet den OBP. Die Installationsprogramme legen für DOS eine Batch-Datei an, die die nötigen Umgebungsvariablen SNDSCAPE und BLASTER setzt und die Karte initialisiert.
Kompatibel ist die Elite zuerst mal zu sich selbst, sie kann den "Soundscape-Modus" vieler Spiele, desweiteren beherrscht sie einen Sound Blaster 2.0 (nicht SBPro!), Adlib, GeneralMIDI und in sehr engen Grenzen MT32. Der AD-Codec ist eigentlich Windows-Sound-System-kompatibel, das funktioniert aber erst, wenn man ihn mit dem Tool „SSMODE“ (ssmode.zip) in den WSS-Modus umschaltet. Soundblaster und Adlib-Emulation sind komplett abschaltbar, was ein Riesen-Vorteil ist, wie wir gleich sehen – oder besser gesagt hören werden!
DOS+Spiele:
Die SoundBlaster-Kompatibilität ist, soweit ich das testen konnte, recht gut, bedingt durch die Emulation von SB2.0 gibts aber halt nur 8-bit Mono-Sound. Spiele wie „Tyrian“ oder „Alien Carnage“ klingen bei den Soundeffekten aber irgendwie abgehackt. Einen Totalverweigerer habe ich nicht ausmachen können, es klingt nur manchmal komisch. Viele neuere Spiele unterstützen die Soundscape-Karten direkt, so dass man hier auch eine bessere Soundqualität in Stereo bekommt.
Hier zwei kurze Beispiele für Tracker-Musik (der gleiche Song, den Dragonsphere benutzt hat ), einmal über die SB-Emulation und einmal direkt über den WSS-Codec wiedergegeben (Inertia Player):
aryx.s3m SB-Modus:
Sndscape_aryx_SB.mp3
aryx.s3m WSS-Modus:
Sndscape_aryx_WSS.mp3
Erwartungsgemäß klingt die Karte im WSS-Modus erheblich besser, die Qualität der analogen Ausgabe finde ich zumindest subjektiv sehr gut, sie rauscht nur ein bisschen.
Soweit, so gut. Jetzt kommt der größte Schwachpunkt der Karte, den sie mit allen Soundscapes, insbesondere aber den AudioPCI-Karten teilt: die Adlib/OPL3-Emulation (...oder das, was Ensoniq darunter versteht…). Die meisten werden wohl wissen, dass AudioPCI-Karten bei FM-Musik sch***e klingen, weil sie den GeneralMIDI-Wavetable dafür hernehmen – das tut die Soundscape Elite leider auch und das klingt dann auch entsprechend. Hier z.B. „Oh-no! More Lemmings!“:
Sndscape_lemmings.mp3
Also: Ensoniq + FM → Murks. Mehr gibts dazu einfach nicht zu sagen.
Zum Glück, und das ist der eigentliche Zweck, für den Ensoniq die Karte vorgesehen hat, ist der GeneralMIDI-Wavetable um Klassen besser, das 2MB-Sample-ROM enthält qualitativ recht hochwertige Instrumentensamples. Da die Elite ja noch einen Effektprozessor mit an Bord hat, klingt das ganze auch nicht so trocken wie viele andere preisgünstigere Wavetable-Module oder der Vorgänger Soundscape S-2000.
Hier mal ein paar Beispiele:
Duke Nukem 3D:
Sndscape_duke3d.mp3
Tyrian:
Sndscape_Tyrian.mp3
Descent:
Sndscape_Descent.mp3
Was allgemein auffällt, ist, dass die Drums relativ laut und vordergründig klingen. Bei Descent oder Duke Nukem 3D stört es mich nicht, da passt es, bei Musiksücken mit klassischer Ausrichtung könnte das aber auch anders sein. Beim Duke ist, wie ich finde, viel Hall auf dem MIDI-Soundtrack, mag auch nicht jeder. Außerdem hatte ich beim Hören den Eindruck, als ob der Synth hier manchmal irgendwie aus dem "Takt" kommt, das Verhalten habe ich aber nur bei Duke Nukem 3D feststellen können.
Der Wavetable lässt sich in einen MT32-Modus schalten, der aber nur die Standard-MT32-Instrumente bereitstellt – Samples nachladen, was z.B. viele Sierra-Spiele tun, funktioniert nicht. Trotzdem klingt, wenn nur Standard-MT32-Zeug benutzt wird, das Ergebnis ganz akzeptabel, auch wenn mir persönlich hier die Drums wirklich zu laut sind:
Monkey Island 1:
Sndscape_mi1.mp3
Fun Fact am Rande: Obwohl die Soundscape keinen „Intelligent Mode“ auf dem MPU401 hat, funktionieren trotzdem diverse Spiele wie Space Quest 3, die eigentlich den I-Mode haben wollen – die Karte quittiert alle Befehle für den I-Mode mit einem „ACK“, sodass die Spiele denken: „Ok, alles prima!“. Andere Karten ignorieren diese Befehle kommentarlos, was dann in den Spielen nicht mehr funktioniert. Dank SoftMPU ist das aber nicht mehr so relevant.
Windows:
Windows erkennt die Karte nicht automatisch, die Treiberinstallation führt aber alle nötigen Schritte durch und nach einem Neustart ist die Karte da. In den Multimedia-Einstellungen kann man den internen Synth oder einen externen auswählen, im Gerätemanager lässt sich die Karte konfigurieren. Eine nette „Zusatzfunktion“ ergibt sich, wenn man der Karte im Gerätemanager zwei DMA-Kanäle spendiert. Dann erhält man ein weiteres Wave-Out-Device, das den Synthesizer und nicht den Codec für die Ausgabe benutzt. Umso lustiger wird das, wenn man sich das „Elite FX Toolkit“ installiert, mit dem man den ESP steuern kann. Das Programm ist zwar eher als Tech-Demo zu verstehen, es lassen sich aber viele verschiedene Presets wie Reverb, Chorus, Flanger, Equalizer,… auswählen und auf die Karte laden. Das Rumspielen mit den verschiedenen Effekten macht durchaus Laune, man sollte nur die Wiedergabe anhalten, wenn man die Effekte wechselt, sonst hängt sich die Karte auf.
Einen sehr praktischen Nutzen hat das Programm aber doch: der momentan aktive Effekt lässt sich als SysEx-Message abspeichern, unter DOS kann man dann dieses SysEx mit einem geeigneten Tool (z.B. den MIDI Data Filer) wieder auf die Karte laden und so z.B. die voreingestellten Reverb/Chorus-Werte ändern, falls die einem zu heftig sein sollten. Natürlich kann man damit auch folgenden Blödsinn mit machen
Sndscape_Duke_phaser.mp3
Was hingegen nicht funktioniert hat, ist Soundausgabe via DirectSound, Spiele stürzen einfach ab oder werfen eine Fehlermeldung. Vielleicht ein Treiber-Bug (DirectSound-Support wurde erst später nachgereicht), oder meine DirectX-Version (8.1 unter Win98SE) ist einfach zu neu...
Fazit:
Tja, wofür kann man die Karte am besten verwenden? Ich sage vielleicht erstmal, wofür man sie nicht benutzen sollte: Als Allround-DOS/Windows-Soundmaschine für alle Lebenslagen. Dafür ist die FM-Emulation einfach zu schlecht und ein Mono-Soundblaster ist auch nicht so der Hit… WSS ist ja ganz nett, aber etwas umständlich zu handhaben und nicht jedes Spiel unterstützt WSS oder die Soundscape direkt. Meiner Meinung nach ist die Karte vor allem ein GeneralMIDI-Synthesizer, und zwar ein ziemlich guter! Ok, Roland-Synths klingen immer noch besser und eine EWS64 ist noch vielseitiger. Trotzdem mag ich den MIDI-Sound der Karte, nicht zuletzt auch wegen des ESP, mit dem man schön rumspielen kann
Ich selbst würde die Karte immer in Kombination mit einem „richtigen“ Soundblaster mit „richtigem“ OPL3 betreiben – SB/Adlib-Emulation abschalten, Ressourcen der Karte für den Soundblaster aus dem Weg räumen – fertig. Die Soundscape spielt problemlos mit einem SB16 oder einer AWE32 zusammen.
Eine Anmerkung zum Schluß: Ich weiß nicht, ob das nur bei meiner Karte so ist oder ob das bei allen auftritt: Es ist möglich, den OBP zum Absturz zu bringen, was dazu führt, dass die komplette Karte hängt und auch durch einen Kaltstart nicht wieder aufwacht. Man muss den Rechner ausschalten, stromlos machen, ca. eine Minute warten, dann geht‘s wieder… Hat bei mir anfangs für einige „Schockmomente“ gesorgt, als die Karte plötzich keinen Pieps mehr von sich gab.
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