Ich denke Du machst Dir zu viele Gedanken.
Nehmen wir als Beispiel den ESR von einer ElKo Reihe des selben Typs:
- Grobe Staffelung: je nach Maß kann sich der ESR um mehr als 50% unterscheiden, bei gleicher Kapazität
- Hohe Toleranz: ca. 20% Streuung über die Chargen sind normal
- Starke Änderung durch Gebrauch und Alterung: Vervielfachung.
Ergo: so genau muss man die Werte gar nicht einhalten.
Viele der ElKos sollen die Spannung der korrespondierenden ICs stützen. Diese ElKos sind meist etwas günstiger, mit höherem ESR, da der Ripple sehr klein sein wird. Der Strom dafür kommt meist aus einem vorgelagerten Schaltnetzteil (z.B. PC Netzteil) oder Gleichrichter.
Ein leerer Kondensator mit einem theoretischen ESR=0Ohm wäre ein Kurzschluss im Einschaltvorgang für dieses Netzteil. Glücklicher Weise sind die Kapazitäten sehr klein und es begrenzen die Induktivitäten der Leitungen den Stromanstieg und die Leistungswiderstände den Maximalstrom. Hinzu kommt eine im Vergleich zum Leistungsumsatz des Einschaltvorganges extrem hohe Wärmekapazität der Leitungen auf dem PCB. Selbst wenn man den PC alle 30s ein und ausschalten würde, wird das nicht zur thermischen Überlastung der Leitungen führen. Hier einen hochwertigen low ESR einzubauen, wird sicher nicht schaden.
Dann gibt es noch die Filterkondensatoren hinter Schaltnetzteilen und Gleichrichtern. Diese sollen die Wechselanteile hinter diesen Schaltungen filtern. Theoretisch kann hier der ESR nicht klein genug sein, da dieser direkt in die Zeitkonstante und die Grenzfrequenz des Filters eingeht. Da die Technik hier Ihre Grenzen hat, ist eine Kombination verschiedener Typen sinnvoll: Low ESR ElKos mit hoher Kapazität und vergleichsweise hohem ESR für die langwelligen Anteile, Folien- und Keramikkondensatoren mit sehr kleinem ESR aber euch geringer Kapazität für die kurzwelligen Anteile. Ein ElKo ist technisch eine komplexe Parallel- und Reihenschaltung verschiedener Kapazitäten, Induktivitäten und Widerstände. Der Ripplestrom ist dabei abhängig von der Frequenz. Je höher, desto mehr Wärme wird im ESR umgesetzt.
Der Einschaltvorgang solcher Kondensatorphalanxen ist schon ziemlich stressig für die speisende Schaltung. In der Auslegung finden vor allem Einschalthäufigkeit, Wärmekapazität und Entwärmung der Elemente Berücksichtigung. Hier gibt es auch wieder prinzipbedingt sehr hohe Toleranzen. Hochwertige Schaltungen haben sogar eine extra Schaltung zur Vorladung der Filterkapazitäten.
Spannend wird es nochmal bei Audiokondensatoren. Hier geht es oft um präzise eingestellte Grenzfrequenzen und Resonanzen. Deren Kapazitäten sind sehr genau mit den anderen Größen der Schaltkreise abgestimmt. D.h. Toleranzen und Drift über Alterung und Temperatur sind dort nicht willkommen. Aber auch hier gilt: der ESR sollte so klein wie möglich sein. Dämpfende Widerstände sind in der Schaltung berücksichtigt, der ESR stört hier (meist). Sehr beliebt sind daher Folienkondensatoren. Im Vergleich zum ElKo gleicher Kapazität haben die einen ESR von nahezu Null und keine Temperaturdrift, sind aber auch um ein vielfaches größer - und teurer.
Zusammenfassend meine Empfehlung für Ersatz-ElKos bei unserem Hobby:
- immer hochwertige ElKos mit möglichst geringem ESR, hoher Haltbarkeit und ggf. geringer Toleranz nehmen
- wenn Platz ist, schadet eine Spannungsklasse höher nicht, der ESR sinkt mit höherer Nennspannung. Du hast Dich sicher schon gefragt, warum 50V Kondensatoren auf Soundkarten und Grafikkarten verbaut sind, obwohl nur max. 12V (zzgl. Toleranz) anliegen und 16V bzw. 25V Typen genügen müssten ...
- Immer die 105 Grad C Varianten nehmen (etwa alle 10Grad halbiert sich die Lebensdauer). Die 105er haben eine längere Haltbarkeit als die 85er bei gleicher Bezugstemperatur. Die Audiokondensatoren haben meist 85 Grad.
- Der Ripplestrom korreliert mit dem ESR - wird mit sinkendem ESR höher. Da die Leistung quadratisch vom Strom abhängt, müsste man im Einzelfall nachrechnen, muss dazu aber auch das genaue Frequenzverhalten kennen. Ich hatte nach dem Tausch noch nie ein Temperaturproblem mit den neuen, modernen ElKos. Ich achte daher nicht auf den Ripplestrom.
- Ich bin ein Fan der Panasonic FR und FC Serie. Die moderne FR Serie ist hierbei der FC überlegen: halber ESR bei geringerer Größe und doppelter Lebensdauer. Die FC Serie hat eine AECQ200 Zulassung (automotive), die FR nicht. Die FC Serie sieht hübscher aus.